Welche Elemente der logotherapeutischen Gesprächsführung mir wichtig sind

Vor allem ist mir wichtig, ein wertschätzendes Gespräch auf Augenhöhe zu führen.
Ich sehe mich in der Funktion einer Hebamme, die ihrem Gesprächspartner behilflich ist, selbst neue Lebensmöglichkeiten und Sichtweisen zur Welt zu bringen.
Indem ich meinem Gegenüber ehrliches Interesse entgegenbringe und durch Verständnisfragen versuche seine Situation so gut als möglich zu erfassen, wird er sich angenommen fühlen ("Hilf mir dich zu verstehen!", Sokrates). Aus eigener Erfahrung weiß ich welch positiv veränderndes Potential es hat, wenn mich jemand zuerst einmal so sein lässt wie ich bin. Auch Søren Kierkegaard sagt: "Es ist gut, so wie du bist". Das bewirkt eine Erfahrung, die einen verletzten Kern in mir heilen lässt, der immer gesagt bekam, "du musst anders sein" oder "du bist schlecht". Dann brauche ich mich vor mir nicht mehr zu rechtfertigen dafür, dass ich so bin wie ich bin. Dann wird es mir auch leichter möglich, eine Beziehung zu mir selbst aufzubauen. Wenn ich vor mir so sein darf, wie ich bin, kann ich gelassener und neutraler auf mich schauen und Veränderungen geschehen wie von selbst. Bestimmte Verhaltensmuster haben eine Entstehungsgeschichte. Wenn ich diese Entstehungsgeschichte erkenne und mich damit aussöhne, kann auch ein Verhaltensmuster heilen. Das Arbeiten mit inneren Bildern kann dabei hilfreich sein.
Um ein möglichst umfassendes Bild entstehen zu lassen, ist es wichtig alle Werte bewusst zu machen, für die jemand lebt. Wofür zahlt es sich für diesen konkreten Menschen aus zu leben? Eine sehr gute Möglichkeit dies zu tun ist es, einen "Wertetempel" vom Rat Suchenden erstellen zu lassen oder gemeinsam mit ihm zu erstellen. Er erkennt, auf welche Säulen sein Leben gebaut ist. Ein Gesamtbild (Tempel) entsteht, wenn ich den Zusammenhang herstelle und erkenne, wie eine Säule die andere stützt. Dabei können Fragen hilfreich sein wie: "Was unterstützt die Säule?" oder "Wie unterstützt mich die Säule?". Je mehr Aufgaben und Menschen (Säulen) jemandem wertvoll sind, desto leichter fällt es ihm, mit Schicksalsschlägen umzugehen. Das soziale Netz, in dem er lebt wird ihn stützen.
Das Modell der pyramidalen Wertordnung kann das Bild noch verdeutlichen: Hat jemand einen oder zwei Hauptwerte, die von vielen Werten getragen sind, dann hat er ein breites Fundament und er wird einen Weg finden, mit Schicksalsschlägen umzugehen. Schwierig wird es, wenn ein Mensch viele Werte zu leben hat die ihn herausfordern, aber nur wenige, die ihn unterstützen. Dann entsteht eine Pyramide, die auf dem Kopf steht. Dieser Mensch wird auch bei kleinen zusätzlichen Herausforderungen leicht sein Gleichgewicht verlieren.
Wir unterscheiden Schaffenswerte, Erlebniswerte und Einstellungswerte.
Schaffenswerte sind z. B.:  Besitz, Beruf, Beziehung zu einem Partner, Kinder.  Das alles kann ich verlieren. Erlebniswerte nehme ich auf der Gefühlsebene war, wie z. B.: die Freude, die ich an einer Tätigkeit habe, schöne Erlebnisse mit dem Partner oder mit Freunden, Freude an einer sportlichen Leistung. Diese erlebten Gefühle kann mir niemand wegnehmen. Sie sind besonders in Zeiten der Krise wichtig.  In einem Gespräch kann es hilfreich sein, den Wert solcher Erlebnisse bewusst zu machen. Dabei fällt mir ein Zitat von Jana Glück ein: "Das Leben ist so schwer und so schön". Es ist immer beides, sowohl schwer als auch schön. Dieses "und" bewusst zu machen, ist mir ein großes Anliegen.
Schließlich ist es auch noch wichtig einen Blick auf die Einstellungswerte zu richten: "Wie stelle ich mich zu meiner Situation ein, mit welcher spirituellen oder weltanschaulichen Grundeinstellung lebe ich, was hält mich aufrecht?"
Alles im Leben, besonders auch die schwierigen Erlebnisse, haben einen Sinn. Um den Sinn eines Ereignisses/einer Situation zu erahnen, kann ich mich fragen: "Was will das Leben von mir?", "Wofür ist diese Situation gut" und "Was kann ich daraus lernen?". "Nicht wir stellen die Fragen ans Leben, sondern das Leben fragt uns" (Viktor Frankl). Wenn ich meinen persönlichen Sinn dieser Situation gefunden habe, kann es sein, dass ich diese Situation, die ich bisher irgendwie ausgehalten habe, bewusst annehmen kann. Wenn dies geschieht, ist mir ein vollkommener Perspektivenwechsel gelungen, dann wird aus einer belastenden Situation ein positiver Wert, der mein Leben bereichert. Dann gehe ich auch verantwortet mit dem "Angebot des Lebens" um.
In einem Gespräch kann es auch notwendig werden, sein Gegenüber existentiell zu erschüttern, wenn ich z. B. erkenne, dass wenn er/sie so weiterlebt wie bisher, bald etwas schief gehen könnte.
Wenn jemand auf der Suche nach seinem weiteren Weg ist, dann ist ein wesentlicher Schritt, die Alternativen/Möglichkeiten auszuloten und mit diesen Alternativen zu spielen: "Was könnte daraus werden, wenn ich diesen Weg einschlage?" Dies kann für den Suchenden eine Entscheidungshilfe sein. Es kann in ihm eine Sehnsucht wachsen lassen nach dem, was sein könnte! Diese Sehnsucht kann zur Motivation werden, mit der er seine Entscheidung ins Leben umzusetzen kann.

Verfasst von Alfons Großmann, im Rahmen des Lehrganges in Logotherapie und Existenzanalyse am Institut für Logotherapie & Existenzanalyse, Salzburg

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Lebendig sein dank starker Wurzeln
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Alfons Großmann | 3352 St. Peter in der Au, St. Johann 98
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